Ausreissen ist zunaechst ein "normales" Problemloesungsverhalten und keine "deviante" Form der Lebensbewaeltigung von Jungen und Maedchen. Die Abloesung von kindlichen Bindungen und die Dynamik der Verselbstaendi- gung im Jugendalter verlaufen nur selten reibungslos; sie eskalieren zeit- weise in krisenhaften Auseinandersetzungen mit den direkten Bezugs- personen. Das Weglaufen von Jungen erscheint dabei weniger mit Devi- anzdefinitionen verbunden zu sein als das Ausreissen der Maedchen. Laufen Jungen aus dem Elternhaus fort, wird ihnen dieses Verhalten im Rahmen ihrer Geschlechtsrolle noch zugebilligt. Die Suche nach Unbekanntem und die Auseinandersetzung mit Neuem verspricht der maennlichen Existenz Freiheit und Unabhaengkeit. Das Ausbrechen, das Hinausgehen "ins feind- liche Leben", gehoert zum maennlichen Prinzip. So laesst sich "Weglaufen" von Jungen mit den Forderungen an das soziale Geschlecht des Mannes durchaus in Einklang bringen. Laufen Maedchen von ihrem Zuhause fort, so erfolgt oft sehr schnell auch eine Devianzdefinition. Das Ausbrechen aus dem "behueteten" sozialen Nahraum der Familie heisst fuer Maedchen immer auch "Abweichung" vom weiblichen Prinzip. Die dem sozialen Geschlecht der Frau idealtypisch zugeordneten Eigenschaften wie z. B. Passivitaet, Zerbrechlichkeit, Emotionalitaet und die "Verletzbarkeit" weiblicher Sexualitaet definieren das "draussen" als maennlichen, fuer Frauen aeusserst bedrohlichen Ort. Diese archetypischen Strukturen des sozialen Geschlechts sind auch in den individualisierten Lebenswelten heutiger Jugendgenerationen noch enthalten. Auch hier gilt der Grundsatz, dass sich Altes nicht nur verwandelt, sondern auch in Neuem fortbesteht.
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Specifications
Book Details
Imprint
Springer-Verlag
Dimensions
Width
13 mm
Height
210 mm
Length
148 mm
Weight
295 gr
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