Zwischen "Nebenwiderspruch" und "revolutionaerem Entwurf"  (German, Paperback, Meyer-Schoppa Heike)

Die Verankerung von Art. 3 II GG "Maenner und Frauen sind gleichberechtigt" ist zweifelsohne das bedeutendste frauenpolitische Ereignis der unmittelbaren Nachkriegszeit. Welche Ziele aber verfolgten die Protagonistinnen der Normgebung im Parlamentarischen Rat? Das bis heute fortbestehende Spannungsverhaeltnis zwischen der Verfassungsnorm der Gleichberechtigung und der gesellschaftlichen Wirklichkeit der Bundesrepublik Deutschland bildet den Ausgangspunkt dieser Untersuchung. Die Sozialdemokratin Dr. jur. Elisabeth Selbert praegte fuer dieses Spannungsverhaeltnis den Ausdruck des "Verfassungsbruchs in Permanenz". Sie ist eine der bekanntesten Vertreterinnen sozialdemokratischer Frauenpolitik der Nachkriegszeit und gilt als die grosse Anwaeltin der Gleichberechtigung. Ihre eigene parteipolitische Verortung aber fand bisher nur wenig Beachtung. Das zwischen Norm und Wirklichkeit bestehende Spannungsverhaeltnis scheint vielmehr analog auch auf die Wahrnehmung der Sozialdemokratie uebertragbar. Sie gilt als die Partei, die die Gleichberechtigung zwar auf ihre Fahnen und in ihre Programme schrieb, zu allen Zeiten aber eine Kluft zwischen Programmatik und Realitaet erkennen liess. Schilderungen aelterer Sozialdemokratinnen und der Aktenbestand des Frauenbueros beim Parteivorstand der SPD belegen demgegenueber eindruecklich, dass Elisabeth Selbert innerhalb der Partei keine Einzelkaempferin fuer Frauenrechte war. Aus der Diskussion zeitgenoessischer Themen ergibt sich vielmehr der begruendete Verdacht, dass emanzipatorische Potenziale sozialdemokratischer Frauenpolitik der Nachkriegszeit - analog der These vom Fortleben der Nachkriegserfahrung im Privaten - dem "Verfassungsbruch in Permanenz" widerstanden. Dieses Buch analysiert die Positionen sozialdemokratischer Frauenpolitik der Nachkriegszeit und richtet sich an all diejenigen, die die Kluft zwischen Verfassungsnorm und -wirklichkeit zu ueberwinden wuenschen.